Nach der CI Operation

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Nach der Cochlea Implantat Operation

 Ich will mich bewegen

Seit ungefähr 14:00 Uhr bin ich wieder in meinem Zimmer. Die Infusion ist durchgelaufen und ich klingle um nicht mehr „angebunden“ zu sein. „Kann ich schon aufstehen?“ frage ich vorsichtig. „Wenn Sie wollen, probieren Sie es mal“ erhalte ich die Antwort und folge dieser Aufforderung umgehend. Prima, es geht. Noch ein ganz klein wenig wackelig, aber das schiebe ich weg. Ich will mich bewegen.

Jetzt nur noch das linke Hörgerät irgendwo am Verband links placieren und schon geht auch der Verstehen wieder besser – so wie bisher.

Gehen, gehen gehen

An diesem Nachmittag gehe ich gefühlte 126 Mal mit meiner Tasse zum Aufenthaltsraum in dem auch die Getränke bereit stehen, Kaffee und Wasser zum abpumpen, Tee in Kannen. Beim zweiten Mal gehen ist alles wieder im Normalzustand.

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 Keine Schmerzen

Die Wunde oder ist es der neue Fremdkörper im Kopf spüre ich ganz leicht. Wenn ich den Kopf in eine bestimmte Richtung drehe zieht es leicht hinterm linken Ohr. Keine Schmerzen – das gefällt mir.

 Holger kommt

Die Tür schwingt weit auf, ein Bett wird hereingeschoben, mein neuer Mitbewohner kommt zu Fuß hinterher. Ich nenne ihn Holger. Holger klagt ein wenig. Ihm wurde kurzfristig eine Gewebeprobe im Hals entnommen. Da hatte er noch gar kein Zimmer. Danach wurde er in ein anderes Zweibettzimmer dazugeschoben. Jetzt ist er hier. Die Gewebeprobe ist positiv.

Der Zweite mit Hals. Vielleicht steht deshalb bei der Bezeichnung HNO das H, also der Hals ganz vorne.

Holger ist sehr schockiert mit seiner Diagnose. Er soll noch in der Klinik bleiben um verschiedene weitere Untersuchungen machen zu lassen. Holger ist über 60 Jahre alt. Jetzt geht es darum herauszufinden, ob der Tumor im Hals in andere Körperregionen gestreut hat.

Bin ich schon wieder besser dran?

Ich erzähle nur kurz von mir, aber bekomme rasch den Eindruck, dass ihn das im Moment nicht interessiert. Das kann ich gut verstehen. Schon wieder komme ich mir wie ein Glückspatient vor. Holger versucht immer wieder zu schlafen. Ich interpretiere „wegschlafen.“

Seine Frau kommt und bringt Leben ins Zimmer. Mir vermittelt sie den Eindruck, die Managerin von Holger zu sein. Sie erzählt seine kurze Leidensgeschichte und beklagt sich über die Unfähigkeit bisheriger Ärzte, die Holger aufgesucht hatte.

Mir fällt auf, wie sie immer wieder ihrem Mann bekräftigt, dass alles Gut werden wird. Nach meinem Gefühl sind diese Beteuerungen ein bisschen to mutch. Mein Verdacht ist, dass Holger das auch so empfindet. Irgendwann später geht sie wieder.

 Benutze ich die anderen?

Benutze ich die Situation der anderen um mich selbst gut zu fühlen? Ich fühle mich jedenfalls glücklich und habe genug Energie, andere in ihrer Situation zu unterstützen, wenn die den Wunsch dafür irgendwie signalisieren.

Als Schwerhöriger habe ich mich in den letzten Jahren darauf spezialisiert, zu interpretieren. Manchmal glaube ich, das inzwischen gut zu beherrschen. Doch ich kenne Leute, die das anders sehen – die erleben, wie oft ich daneben liege.

Der Abend kommt, wir konzentrieren uns auf unser jeweiliges Fernsehprogramm. Mir fällt auf, dass Holger mit den Kopfhörern und mit Brille immer mal wieder den Eindruck erweckt, eingeschlafen zu sein. Doch dann wälzt er sich wieder. Ich weiß nicht, was er beruflich macht – ich habe ihn auch nicht gefragt.

Ich frage mich, ob sich Holger zwischen der Beteuerung seiner Frau „Alles wird gut“ und seinen eigenen, vermutlich negativen Gedanken hin und herbewegt. Er wirkt auf mich jetzt wie im Kampf zwischen zweierlei Gefühlen.

Zu Fritz vom Vortag hatte ich einen engeren Kontakt, zu Holger verständlicherweise noch nicht. Dennoch versuche ich auch ihm den Gedanken zu vermitteln, seine Vorhaben für die Zukunft aufzuschreiben. Ich bin unsicher, ob er in der Lage ist, das anzunehmen.

 Ich schlafe schlecht

Bis Mitternacht sehe ich fern. Holger ist fest eingeschlafen. Bei mir zu Hause gelte ich als Schnarcher. Was Holger sich da abhält, höre ich ohne Hörgeräte und durch das gesamte Verbandsmaterial hindurch. Er schnarcht so laut dass ich nicht schlafen kann.

Draußen ist Vollmond, der das Zimmer erhellt.

Es ist warm ich habe noch die langen Strümpfe von der OP an – das muss wohl noch so sein – und schwitze. Gegen Morgen schlafe ich ein.

Die Operation

zuvor: Gedanken und Gespräche vor der OP

Die Operation

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Weckgeräusche

Nach einer mäßigen Nacht im ungewohnten Bett und fast Vollmond im Raum werde ich, vermutlich durch rege Betriebsamkeit im Zimmer, wach. Es ist heller Morgen und etwa 7:45 Uhr. Ein Krankenpfleger klopft an die Badezimmertür und ruft nach Fritz. Der erscheint in der Unterhose und erhält die Anweisungen sich noch an bestimmten Stellen zu rasieren. „Machen Sie sich dann fertig, keine Kleidung mit Ausnahme der Unterhose, Bitte das OP Hemd anziehen und die Strümpfe.“ Fritz macht sich fertig wie gewünscht und „packen Sie Ihre Sachen noch zusammen, die bringen wir dann runter“ rief der Pfleger dann noch in einer Drehung ins Zimmer gewandt Fritz zu. Kurz darauf ist alles gepackt, Fritz legt sich in sein Bett und wartet.

Abschied

Meine Blase macht sich längst bemerkbar, muss aber noch warten, das geht jetzt nicht. Rasch verabschiede ich mich von Fritz und wünsche ihm alles Gute für seine OP und für die Zukunft. Da kommt schon der Pfleger und holt ihn samt Bett ab.

Nun gehe ich endlich zur Toilette und bin richtig wach. Für mich und meine Operation rechne ich mit ca. 10 Uhr.

Es geht los

Nach einem ruhigen Frühstück und den sonstigen Morgenabläufen kommt die Schwester um 9:00 Uhr und fordert mich gleichermaßen auf, mich für die OP fertig zu machen.

„Ausziehen bis auf die Unterhose, die engen Strümpfe anziehen, und das OP Hemd – vorne geschlossen und hinten offen“ und „Ach ja, kein Metall am Körper, keine Brille kein Hörgerät und keine Zahnprothese.“ Ob ich meine Sachen im Zimmer lasen kann oder nicht, darüber gibt es beim Personal unterschiedliche Meinungen. Schließlich kommt die Durchsage per Telefon, dass ich die Sachen im Zimmer lassen kann und nach der OP wieder hierher zurück kommen werde. „Klopf auf Holz denke ich, solange der Kopf noch unbeschädigt ist.“

 Abfahrt

Schon ist die Schwester da und holt mich samt Bett ab, zur Tür hinaus, den Gang entlang, zum Aufzug. Sie hat einen Schlüssel für den Bettenaufzug, dort fährt sie mich hinein und abwärts in den zweiten Stock. Hier angekommen geht es ruck zuck in einen Raum mit großem Tisch. Mein Bett wird hoch gepumpt und ich werde aufgefordert mich zunächst auf den Tisch zu begeben und danach gleich auf den recht schmalen anschließenden – vermutlich fahrbaren – Tisch. „Ist das der OP Tisch?“ ist meine Frage die umgehend bejaht wird. „Der ist aber schmal“ denke ich, vielleicht spreche ich es auch aus.

Vorstellungsrunde

Kaum dass ich das begreife, stehen vier Personen vor mir und stellten sich der Reihe nach bei mir vor – vielleicht geben Sie mir sogar die Hand – da bin ich mir aber nicht so sicher. Nun kann jeder nachvollziehen, dass ich ohne Hörgeräte in dieser Situation alle Namen und Funktionen dieser Personen bei der OP gut verstehe und mir auch merken kann. Was ich wirklich noch gerade so mitbekomme, ist die grüne Kleidung. Grün ist die Hoffnung.

Ich war nie beim Militär, kenne solche Verhaltensweisen nur aus Filmen. Diese Vorstellungsrunde empfinde ich aber noch zackiger und schneller als beim Militär  – und schon bekomme ich eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht gedrückt. Nach einigen Sekunden nur, stellt mir eine der Personen eine Frage – darauf kann ich noch antworten „ich merke noch nichts“ … das war`s dann aber auch schon.

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 Aufwachen

Wodurch ich wach werde, kann ich nicht sagen. Da aber Menschen bei mir am Bett stehen, vermute ich, geweckt worden zu sein. Es ist ein sonniger und windiger Tag. Das erste was ich deutlich wahrnehme, sind die sich im Wind wiegenden Bäume draußen vor dem Gebäude. Ich erkenne sie wieder, es sind die gleichen Bäume, deren Wipfel ich von meinem Zimmer aus, oben im sechsten Stockwerk, sehen kann.

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Die Menschen versuchen mich zum sprechen zu bringen, was mir ohne Weiteres gelingt. Ich habe einen dicken Verband um den Kopf und hänge mit der linken Hand am Tropf.

Schon geht es wieder per Aufzug nach oben, dort wird mein Bett an die alte Stelle geschoben, und der Ständer mit dem Tropf daneben gestellt. „Wenn der durchgelaufen ist, klingeln Sie bitte.“

Wieder allein im Zimmer ist mein erster Gedanke, ein Selfie zu knipsen. Da ich das Smartphone schon vor der OP zurechtgelegt hatte, ist mir das auch gelungen.

Mein Gehirn funktioniert noch – oder wieder. Ich bin erleichtert.

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Gedanken und Gespräche vor OP

Lies zuvor:  Vor der Implantation

Gedanken und Gespräche am Tag vor der OP

Heute am Montag, 01.06.2015 wurde ich im Krankenhaus aufgenommen. Die Prozedur des Eincheckens, mit Blutentnahme und EKG dauerte etwa 90 Minuten.

Morgen, am 02.06. wird mir das Cochlea Implantat operativ eingesetzt werden. Das ist eine Operation am Kopf. Es ist meine erste Operation überhaupt, meine erste Vollnarkose.

Internetzugang

096Ich bin zunächst allein im Zimmer und richte mich ein. Ganz wichtig ist mir ein Internetzugang. Den gibt es glücklicherweise als W-Lan. Da bin ich erst mal beschäftigt. W-Lan Verbindung einrichten, Reisetasche auspacken und Bad besichtigen. Da es mir wichtig ist, für diesen Blog direkt in der Klinik zu schreiben, steht das auch für mich an erster Stelle. Ich beschäftige mich nicht direkt mit mir selbst sondern indirekt durch schreiben.

 Neuer Mitbewohner

Das ändert sich mit dem Einzug eines Mitbewohners. Er hat zwei Tumore im Hals und sieht schlecht oder mitgenommen aus. Fritz, so nenne ich ihn hier, Fritz hat bereits Erfahrungen mit Operationen. Er wird ebenfalls morgen operiert, noch vor mir.

Fritz unterliegt starken Stimmungsschwankungen. Er freut sich, dass die beiden Tumore, die er lange nicht bemerkt hat, möglichst schnell entfernt werden. Andererseits plagen ihn Ängste. KREBS. Das ist doch immer noch eine Schreckensbotschaft. Der Arzt hat ihm Hoffnung gemacht, dass das gut zu operieren sei. Er und seine Mitarbeiter haben sich genau überlegt, wie sie vorgehen wollen. Zusätzlich soll er einen Behälter (Port) für dosierte Zufuhr von Chemotherapie Medikamenten implantiert bekommen. „Für mich ist es wichtig, dass ich etwas loswerde, was da nicht hingehört“, meint er „für Sie ist es umgekehrt sie bekommen etwas, was Sie nicht mehr haben.“ Das klingt sehr logisch. „Für Sie ist es lebenswichtig, dass Sie diese Tumore loswerden, restlos. Ich kann auch ohne Cochlea Implantat weiterleben.“ konkretisiere ich unser Gespräch.

Ängste

Nun merke ich, dass es andere Ängste gibt als einfach nur die vor einer Operation. Da gibt es Unterschiede. Fast komme ich mir vor, als lasse ich eine Luxusoperation an mir vornehmen. Das ist natürlich übertrieben, ich werde danach aller Voraussicht nach, wieder besser bis gut hören können. Fritz sieht den Vergleich auch nicht so krass wie ich es gerade ausdrücke.

 Vergangenheit und Zukunft

Wir essen gemeinsam zu Abend und sitzen uns am kleinen Tisch gegenüber. Fritz öffnet sich ein wenig. Er ist 58 Jahre alt,  Beamter.  Ich wollte nicht konkret nachfragen, wenn er schon so ausweichend berichtet. „Ich habe im Laufe meines Lebens in meinem Dienst genug geleistet, ich gehe nicht mehr arbeiten – wenn ich das hinter mir habe.“ Damit wirft er wohl in einem Satz einen Blick zurück und einen auch voraus in die Zukunft.

Wir sprechen über Enkel „schon für meinen Enkel muss ich weiterleben“ und über sein Urlaubsland. Seit vielen Jahren fährt er an einen Ort in Südosteuropa. „Ich habe da schon Freunde – Einheimische aber auch Deutsche.“

Wir sprechen also über Zukunft, eine Zukunft nach der Krebs Operation. Das sind doch Perspektiven.

 Aufschreiben

Später am Abend schaut jeder mit Kopfhörern bestückt in sein Fernsehgerät. Zwischendurch reden wir weinig. Dann teile ich ihm meine Gedanken mit. „Schreiben Sie doch heut noch alles auf, was Sie sich für die Zukunft noch vornehmen, was Sie alles noch in Ihrem Leben machen wollen. Das setzt sich in Ihrem Gehirn fest, es verankert sich. Ich glaube das es auch wirkt.“

Zimmer KHEr berichtete noch über seine Erfahrungen und der gefühlten Harmlosigkeit der Anästhesie „sie schlafen ganz schnell ein und wachen wieder auf, wenn alles vorbei ist.“ Das hat mich dann auch ruhig werden oder bleiben lassen, zumindest habe ich mir das eingebildet.

Er wir morgen früh mein Zimmer wieder verlassen, da er mehrere Tage im Beobachtungsraum untergebracht sein wird.

Später sehe ich, dass er sich länger etwas aufschreibt.

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Alte und Junge

Alte und Junge

Im Sellwald läuft meine Frau öfter in Begleitung unseres Hundes Panos ihre Runde. Manchmal läuft eine Freundin mit oder auch mal unsere Tochter oder die Enkeltochter.

Freude am Gehen

Wenn ich Lust dazu habe oder wenn ich glaube, dass mir Bewegung im Wald gut tut, gehe ich mit. Ich gehe gerne und viel und habe Freude daran, mich gehend zu bewegen. Aber meine Begeisterung am Laufen ist etwa so ausgeprägt wie meine Hörfähigkeit. Also laufe ich nicht mit den anderen sondern gehe stattdessen für mich alleine meine Strecke. Spontan gehle ich auch mal quer durch den Wald. Meine Orientierung an den Läuferinnen beschränkt sich darauf, zum vermutet richtigen Zeitpunkt wieder am Ausgangspunkt zu sein, denn ich habe den Autoschlüssel in der Tasche. Bis zum Waldparkplatz sind wir gefahren.

Waldkontakte

bach-1Heute traf ich ein älteres Paar mit einem Hund, der keine Lust zum gehen hatte. Da sie standen um auf ihren Hund zu warten blieb ich auch stehen und wir unterhielten uns ein wenig. Sie fragten nach dem Weg zur Harteichhütte und zur Alm und ich hatte Fragen zum Hund. In der Nähe plätscherte ein kleiner Bach, den ich erstaunlicherweise leise hören konnte.

Als wir unsere Unterhaltung beendet hatten, weil ich rechtzeitig an unserem Auto sein wollte und jeder in seine Richtung weitergegangen war, wurde mir plötzlich sehr bewusst, dass ich dieser Unterhaltung mit den fremden Menschen ohne jede Probleme folgen konnte.

Sprich deutlich

Das veranlasst mich darüber nachzudenken – sprechen ältere Menschen deutlicher als Jüngere? Trifft das in meinem direkten Umfeld vielleicht zu? Viele junge Menschen scheinen mir sehr schnell zu sprechen – als gelte es nur durch Schnellsprechen zu überleben. Manche sprechen auch sehr undeutlich – sie machen beim Sprechen den Mund kaum auf und bringen die Zähne nicht auseinander – es scheint als wollten sie nicht wirklich verstanden werden. Ich empfinde das als eine Art von Mundfaulheit.

Aber je mehr ich darüber nachdenke, stimmt das so pauschal auch nicht. Da fallen mir auch junge Leute mit ausgezeichneter, für mich gut verständlicher Sprache ein, und ich erinnere mich an Alte, die nur nuscheln.

Eure Erfahrung

Was ist Eure Erfahrung? Es interessiert mich.

Einsam unter Freunden

Einsam unter Freunden

 Freundeskreis

wandern-4Meine Frau und ich gehören einem sehr sympathischen und aktiven Freundeskreis an – es sind alles Paare. Jeden Geburtstag feiern wir beim Geburtstagskind. Silvester feiern wir immer abwechselnd, jedes Jahr bei einem andern Paar. Außerdem wandern wir oft gemeinsam. In der Adventszeit fahren wir für ein Wochenende in ein anderes Wandergebiet.

Da könnte der Eindruck entstehen, es gäbe da nicht mehr viel Neues zu erzählen, zu besprechen oder einfach zu palavern. Weit gefehlt.

 Unterhalt mit Sprechen verdient

Ich bin ein Mensch, der viele Jahre seinen Lebensunterhalt durch Sprechen verdient hat. Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass solche Eigenschaften nicht einfach mit zunehmendem Alter verschwinden. Anders gesagt, ich habe auch gerne das Wort geführt.

Ich höre viel und verstehe nichts

Doch seit einigen Jahren sitze ich im Kreise der Freunde und höre viel aber verstehe nichts mehr. Ich fühle mich einsam – mache ein angestrengtes Gesicht aber ich langweile mich. Also esse und trinke ich mehr – schließlich habe ich viel Zeit zu überbrücken. Weder zu viel essen und noch zu viel trinken tut mir besonders gut. Deshalb verbringe ich auch einige Zeit mit meinem Smartphone – ein Segen so ein Gerät, zumindest in dieser Situation. Hin und wieder schnappe ich ein Stichwort aus dem laufenden Gespräch der Tischrunde auf und mische mich dann mit meinem Kommentar dazu ins Geschehen ein.

 Als Schwerhöriger auch mal im Mittelpunkt

Es folgt fast regelmäßig ein sich immer wiederholender Ablauf. Wenn ich überhaupt durchdringe – oft bin ich zu leise und häufig auch zu laut – sehe ich unverständliche Gesichter. Thema verfehlt oder Thema schon wieder vorbei. Für einen kurzen Zeitraum stehe ich dann dennoch im Mittelpunkt. Leider immer nur mit dem gleichen Inhalt, meiner Schwerhörigkeit. Ich habe dann Gelegenheit, ein paar Worte zur Entwicklung zu sagen und zu den Aussichten – in letzter Zeit auch zu den ganzen Vorbereitungen für die OP des Cochlea Implantats. Das Thema ist dann aber auch schnell erschöpft und das Gespräch fließt in andere Richtungen.

Allen Mitgliedern unseres Freundeskreises muss ich zugute halten, dass sie immer wieder versuchen, mich ins Gespräch einzubeziehen. Ich finde das geradezu rührend, wie sich alle bemühen. Aber letztlich bleibe ich doch auf der Strecke weil ich nicht verstehe, was sie alles sagen. Manchmal nicke ich nur zustimmend um nicht dauernd wieder nachzufragen.

Leider gehen dann fast alle davon aus, dass ich weiß worüber am Abend gesprochen wurde.

 Ich weiß natürlich von Nichts

Tage später kommen oft unerwartet Ereignisse auf mich zu, von denen ich angeblich gewusst haben sollte. „Das haben wir doch besprochen“ oder „du warst doch dabei als das vereinbart wurde“ – ja das mag alles sein – die eventuelle Frage nach dem Schuldigen ist dann schnell geklärt. Als Schwerhöriger fühle ich mich immer schuldig oder doch zumindest verantwortlich.

Im Laufe meines Lebens musste ich schon immer mit sich plötzlich neu ergebenden Situationen, Ereignisse oder Veränderungen  umgehen – das kommt mir heute zugute. Ich nehme es gelassen hin, wenn ich kurzfristig die Information erhalte „du weißt doch, dass wir heute Abend alle ins Konzert gehen.“

Hoffentlich gibt es da was zu trinken. Mein Smartphone habe ich immer dabei.

Schrei nicht so

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Schrei nicht so ..

Leidensgenossen kennen das.

Manche wohlmeinenden Zeitgenossen sprechen sehr laut zu mir bzw. in Richtung meines Hörgerätes. Besonders eifrige Menschen schreien in mein Hörgerät, wenn ich nicht gleich verstehe, was gesagt wird.

Dann läuft üblicherweise folgender Dialog ab:
„Schrei nicht so“
„wenn ich nicht schreie verstehst du ja nichts“
aber wenn du schreist verstehe ich erst recht nichts mehr – es tut mir weh“
„ach du mit deiner Schwerhörigkeit …“
„sprich einfach langsamer und vor allem deutlich mit mir“
„deutlicher als vorhin geht ja wohl nicht mehr“

Leichter schreiben als unterhalten

Es ist leichter, diesen Dialog nieder zu schreiben als ihn im Original zu führen. Im Original läuft das viel holpriger ab – weil ja auch diese Sätze erst einmal von mir verstanden werden müssen.

Hörgerät

Ein Hörgerät ist, simpel ausgedrückt, ein Mikrophon und Verstärker mit Lautsprecher – nur alles sehr klein verbaut. Wenn nun jemand sehr laut direkt ins Hörgerät brüllt, also ins Mikro, dann kommt das unmittelbar verstärkt, durch den Lautsprecher, in meinem Ohr an. Da gibt es keinen Schutz mehr, der Lautsprecher steckt direkt im Gehörgang.

Es fühlt sich etwa so an, wie wenn ein ICE durchs Hirn fährt.

Ja, es ist richtig, Hörgeräte sollen u.a. Sprache und auch Geräusche verstärken. Doch da bedarf es bei richtiger Einstellung keines Geschreis mehr. Jedoch ….

 Bei mir ist das so:

Sprache verstehe ich, wenn das Umfeld ruhig ist und mich mein Gegenüber direkt anspricht – aber auch nur dann, wenn deutlich gesprochen wird. Die Deutlichkeit der Worte und der darin enthaltenen Konsonanten sind entscheidend für mein Verstehen. Das liegt daran, dass ich einerseits nur noch mit einem Ohr hören kann und zum anderen daran, dass dieses Ohr leider bestimmte Frequenzen nicht mehr wahrnimmt. Das sind nun leider genau die Frequenzen, die für das Hören von Konsonanten besonders wichtig sind – für das Hören von Sprache.

Frequenzen und Frequenzverschiebung

Moderne Hörgeräte lassen sich so einstellen, dass eine Frequenzverschiebung erfolgt. Das ist zunächst mal genial. Töne die ich eigentlich nicht mehr hören kann, werden in einer hörbaren Frequenz hörbar gemacht.

In meiner Praxis hat sich das leider nicht bewährt. Einige Konsonanten habe ich mit dieser Einstellung etwas besser verstanden. Aber Hören ist eben mehr als nur das Aufnehmen von Tönen und Geräuschen. Alles hört sich plötzlich anders unecht an – eben in einer fremden Frequenz. Bestimmte vertraute Geräusche erkenne ich nicht mehr – mir bekannte Musik kommt mir fremd vor, bis ich einige vertraute Elemente darin zu erkennen glaube.

 Musik nicht mehr erkennen

Mein Hörgeräte Akustiker hatte sich wirklich viel Mühe mit mir gegeben. Er bot mir ein zusätzliches Musikprogramm als Einstellung im Hörgerät an. Doch in meinem realen Leben setzte ich mich schon lange kaum noch hin, um nur Musik zu hören. Häufig läuft Sprache und Musik gleichzeitig ab. Ganz extrem in Fernsehsendungen. Da ist Sprache vielfach mit Musik hinterlegt – warum auch immer.

Kurzum, ich bat ihn, diese Frequenzverschiebung wieder zurückzunehmen. Danke!

Vor der Implantation

Lies zuvor den Text  Der OP Termin steht

Mein Weg in die Schwerhörigkeit und zurück 

Dezember 2014

Dann begann die Warterei auf die Zusage der Krankenkasse. Da die aber bis kurz vor Weihnachten 2014 nicht kam, habe ich dann mal bei der KKH nachgefragt. Die Antwort der Mitarbeiterin beim KKH Service Center in Trier lautete. „Uns liegt kein Antrag für ein Cochlea Implantat für Sie vor.“

Franks linkes Ohr 1 vor der OP
Franks linkes Ohr 1 vor der OP

Ein Telefonat mit der Oberärztin konnte die Situation aufklären. Die Kassen benötigten weitere Unterlagen. Sie bat mich deshalb darum erneut aktuellere und umfangreichere Dokumente vom Hörgeräte Akkustiker – Wagner Hörgeräte in Hermeskeil, anzufordern. Das bedeutete, erneut nach Hermeskeil zu fahren, diverse Tests durchführen zu lassen und die Ergebnisse dann an die Klinik zu senden –doppelt per Email und per Schneckenpost.

Jetzt hatten die neuen Dokumente die Krankenversicherungen wohl  überzeugen können. Zuerst kam die Zusage der Central Versicherung und dann auch die von der KKH.

 März 2015

 „Sehr geehrter Herr Nüsken,

 gestern ging die Kostenzusage der KKH bei uns ein. Anbei sende ich Ihnen Informationen über den weiteren Ablauf:

Im Anhang finden Sie ein Schreiben über die notwendigen Impfungen vor CI-Versorgung. Bitte gehen Sie damit zu Ihrem Hausarzt und lassen Sie die Impfungen durchführen.

Vor der Operation ist noch ein ambulanter Termin bei uns notwendig. Dabei wird die Operationsaufklärung durch den Arzt erfolgen, die Implantatauswahl mit Fr. R, der Leiterin unseres Nachsorgezentrums, sowie eine Gleichgewichtsuntersuchung. An diesem Termin werden wir auch das Datum für die OP mit Ihnen vereinbaren. Bitte bringen Sie zu diesem Termin Ihr Impfbuch mit.

Leider ist unsere Terminvergabe wegen eines Krankheitsfalles diese Woche nicht besetzt. Ab Mo, den 30.03.2015 können Sie dort wieder einen Termin vereinbaren.

 Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen gedient zu haben. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.“

 31.03.2015

Anruf bei der HNO Klinik um einen Termin für die Vorbesprechung, die Wahl des Implantats und für weitere Untersuchungen zu vereinbaren. Leider konnte kein freier Termin vor dem 06.05.2015 gefunden werden. Da nun bereits fünf Monate seit der ersten Untersuchung in der Klinik vergangen waren, kam es jetzt wohl auch nicht mehr schnell ein Implantat zu bekommen.

 06.05.2015

Heute noch mal in der Klinik zum Abschlussgespräch.
Mir wurde drei Fabrikate zur Auswahl angeboten:

Ich habe mich für das Gerät entschieden, das es mir vielseitiger erschien und weil es mit der Technik von Phonak (meine Hörgeräte) kompatibel ist. Ob die Entscheidung richtig war, wird sich erst noch erweisen.

Wenn ich die Mimik der Beraterin richtig interpretiert habe, war es wohl aus ihrer Sicht die richtige Entscheidung. Vielleicht macht sie immer das „richtige Entscheidung“ Gesicht.

Außerdem wurde heute noch mein Gleichgewicht getestet (ich kann noch aufrecht gehen) und eine Ärztin führte die Aufklärung über die Operation durch. Ich fand, es wurde sehr gut erklärt und nun bin ich bereit.

Die Operation wird am 02.06.2015 vorgenommen, einen Tag zuvor werde ich dort anrücken.

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Der OP Termin steht

Der OP Termin steht

Mein Weg in die Schwerhörigkeit und zurück – hier beginnt das „zurück“

Mai 2015

Jetzt steht der Termin der Operation. Am 02. Juni bekomme ich ein Cochlea Implantat als Ersatz für mein linkes Ohr. Mit meinem linken Ohr höre ich seit einigen Jahren nichts mehr.

Jetzt beginne ich langsam, mich intensiver mit dem Thema Cochlea Implantat zu beschäftigen. Ich hatte mich noch nie einer Operation unterziehen müssen – außer an der Nasenscheidewand. Aber das fühlte sich eher so wie beim Zahnarzt an, mit örtlicher Betäubung.

Seit Herbst 2014 beschäftigt mich die Möglichkeit, mir ein Cochlea Implantat einsetzen zu lassen. Doch die Zeit seit dem war vorwiegend mit organisatorischen Vorbereitungen ausgefüllt. Organisation und deren Realisation nahm mich völlig in Anspruch und konnte Gedanken über den eigentlichen Eingriff erfolgreich verdrängen.

Nach der Überweisung durch den HNO Arzt fanden am 29.10.2014 in der HNO Klinik in Homburg umfangreiche Untersuchungen statt. Diese Prozedur dauerte mehrere Stunden. Es ist mir nicht gelungen, alle Untersuchungsschritte noch in Erinnerung zu behalten, vielleicht auch deshalb nicht, weil ich nicht alles wirklich verstanden habe. Ich möchte immer gerne alles selbst verstehen, kapieren. Das hat sich vielfach im Leben bewährt. Ein wichtiger Aspekt der Untersuchungen war wohl auch, festzustellen, ob mein Hörnerv noch funktionsfähig ist – er ist.

Die Oberärztin der Klinik hatte angeboten, die Anträge für die OP und die Nachbehandlung an meine Krankenversicherungen zu stellen. Das sind die KKH sowie als Zusatzversicherung für stationären Aufenthalt, die Central Krankenversicherung. Dazu wurden meine Versicherungskarten kopiert. Als Voraussetzung um die Anträge an die Versicherungen stellen zu können, benötigte ich noch ein paar Unterlagen von meinem Hörgeräteakustiker. Diese Unterlagen konnte ich noch am gleichen Tag online beschaffen und an die Klinik in Homburg weiterleiten. Als Auflage für die OP wurde mir von der Klinik aufgetragen, ein CT und ein MRT von meinem Kopf durchführen zu lassen. Dafür wiederum war eine Impfung  im Vorfeld notwendig.

Alles versuchte ich so schnell wie möglich abzuarbeiten. Die Impfung beim Hausarzt, MRT und CT und Saarlouis.

Ein weiteres Angebot der Klinik hatte mir sehr gefallen. Es sollte ein Treffen mit einer Person organisiert werden, die ebenfalls einseitig fast taub war und deshalb ein Cochlea Implantat erhalten hatte.

Nur wenige Tage später erhielt ich einen Anruf des Cochlea Implantat Centrums (CIC) aus Homburg für ein Treffen mit einer Patientin mit Implantat. Ich war begeistert, wie gut organisiert das so schnell klappte.

 Gespräch mit CI Trägerin

Am 28. November 2014 fand dann in den Räumen des CIC, dem Zentrum für Cochlea Nachbetreuung an der Universitätsklinik Homburg, ein Treffen mit einer Patientin statt, die erst im September operiert worden war.

Die Dame war geradezu begeistert von ihren neuen Hörmöglichkeiten. Diese Begeisterung war ansteckend. Bei vermeintlich zu viel Begeisterung bin ich normalerweise skeptisch, aber ich empfand diese Euphorie als sehr ehrlich und emotional. Von diesem Moment an war ich mir sicher, ich will das auch haben.

 Freundeskreis

In unserem Freundeskreis war und ist meine Schwerhörigkeit häufig Gesprächsthema, schon deshalb, weil sich alle immer wieder geradezu rührend darum bemühen, mich in Gespräche einzubeziehen, denen ich nicht folgen kann. So blieb es nicht aus, ihnen von meinem Cochlea Vorhaben zu berichten. Da erhielen wir den Hinweis, dass auch im Dorf eine Frau mit Cochlea Implantat lebt.

Zweite CI Trägerin im Ort

Meine Frau und ich haben diese Dame besucht um ihre Meinung zum Implantat zu erfahren. Sie trug dieses Gerät nun schon seit einigen Jahren und ging sehr nüchtern damit um. Für sie war es damals eine riesige Hilfe, jedoch ist es heute einfach normal für sie, alle und alles zu verstehen.

Dann begann die Wartezeit ……  weiter

Schwerhörig 1974

Schwerhörig 1974? 

Mein Weg in die Schwerhörigkeit und zurück

Solltest Du, liebe Leserin und lieber Leser, schwerhörig sein oder zumindest Anzeichen wahrgenommen haben, nicht immer optimal zu hören, mag Dich meine Geschichte vielleicht interessieren. Es ist die Geschichte eines schleichenden Schwerhörigkeitsprozesses .  Über Dein Interesse und Deine Kommentare würde ich mich freuen.

1974

Seit ca. 1974 ist mir bewusst, dass ich nicht mehr optimal höre. Besonders deutlich wurde mir das bei Telefonaten. Bis dahin hatte ich den Telefonhörer immer mit der linken Hand ans linke Ohr gehalten. Das machen, so glaube ich, viele. So bleibt die rechte Hand frei um Notizen zu machen oder – bei langatmigen Telefonaten – hübsche kreative Zeichnungen mit dem Kugelschreiber aufs Papier zu bringen.
Doch nun merkte ich, wie ich manchmal mit der linken Hand den Telefonhörer ans rechte Ohr hielt. Für Ungeübte ist das ein Wenig umständlich, Du musst aufpassen, nicht den Arm vor dem Gesicht oder gar dem Mund zu halten. Die Hörfähigkeit meines linken Ohrs hatte nachgelassen.

In Erinnerung blieb mir eine Autoreise in den Urlaub noch Portugal im Sommer 1974. Politisch Interessierte können sich vielleicht noch daran erinnern, was damals in Portugal geschah.

Sommer 1974

portugal-nelkenrevoluAm 25.April 1974 fand in Portugal sie sogenannte Nelkenrevolution durch das portugiesische Militär statt. Die Soldaten marschierten bewaffnet auf und vermittelten ihrem Ansinnen auch eindeutig Nachdruck. Es fiel aber kein Schuss. Das begeisterte Volk steckte dann vielfach den Soldaten Nelken in die Gewehrläufe. In vielen Fällen machten es anschließend auch die Soldaten selbst.
In diesem Sommer, in Portugal an der Algarve angekommen, bemerkte ich dauernde Trockenheit im Hals und Schluckbeschwerden, aber auch ein leicht taubes Gefühl im linken Ohr. Zunächst hatte ich die lange Autofahrt in sommerlicher Hitze dafür verantwortlich gemacht. Doch es war der Beginn des für mich erinnerbaren und wahrnehmbaren Prozesses in die Schwerhörigkeit.

Als Kind und Jugendlicher hatte ich ab und zu mal eine Mittelohrentzündung. Was das genau bedeutete, wusste ich damals nicht, es hatte mich auch nicht weiter interessiert. Aber leichte Schmerzen im linken Ohr sind mir in Erinnerung geblieben.

Siehe auch:
Augsburg 1977 – Nasenscheidewand
Ulm 1982 – Apollinris
Rauchen im Nichtraucherfahrzeug
Hör-Karriere im Beruf

Übersicht aller Beiträge

mein Weg in die Schwerhörigkeit und zurück