Schrei nicht so ..
Leidensgenossen kennen das.
Manche wohlmeinenden Zeitgenossen sprechen sehr laut zu mir bzw. in Richtung meines Hörgerätes. Besonders eifrige Menschen schreien in mein Hörgerät, wenn ich nicht gleich verstehe, was gesagt wird.
Dann läuft üblicherweise folgender Dialog ab:
„Schrei nicht so“
„wenn ich nicht schreie verstehst du ja nichts“
„aber wenn du schreist verstehe ich erst recht nichts mehr – es tut mir weh“
„ach du mit deiner Schwerhörigkeit …“
„sprich einfach langsamer und vor allem deutlich mit mir“
„deutlicher als vorhin geht ja wohl nicht mehr“
Leichter schreiben als unterhalten
Es ist leichter, diesen Dialog nieder zu schreiben als ihn im Original zu führen. Im Original läuft das viel holpriger ab – weil ja auch diese Sätze erst einmal von mir verstanden werden müssen.
Hörgerät
Ein Hörgerät ist, simpel ausgedrückt, ein Mikrophon und Verstärker mit Lautsprecher – nur alles sehr klein verbaut. Wenn nun jemand sehr laut direkt ins Hörgerät brüllt, also ins Mikro, dann kommt das unmittelbar verstärkt, durch den Lautsprecher, in meinem Ohr an. Da gibt es keinen Schutz mehr, der Lautsprecher steckt direkt im Gehörgang.
Es fühlt sich etwa so an, wie wenn ein ICE durchs Hirn fährt.
Ja, es ist richtig, Hörgeräte sollen u.a. Sprache und auch Geräusche verstärken. Doch da bedarf es bei richtiger Einstellung keines Geschreis mehr. Jedoch ….
Bei mir ist das so:
Sprache verstehe ich, wenn das Umfeld ruhig ist und mich mein Gegenüber direkt anspricht – aber auch nur dann, wenn deutlich gesprochen wird. Die Deutlichkeit der Worte und der darin enthaltenen Konsonanten sind entscheidend für mein Verstehen. Das liegt daran, dass ich einerseits nur noch mit einem Ohr hören kann und zum anderen daran, dass dieses Ohr leider bestimmte Frequenzen nicht mehr wahrnimmt. Das sind nun leider genau die Frequenzen, die für das Hören von Konsonanten besonders wichtig sind – für das Hören von Sprache.
Frequenzen und Frequenzverschiebung
Moderne Hörgeräte lassen sich so einstellen, dass eine Frequenzverschiebung erfolgt. Das ist zunächst mal genial. Töne die ich eigentlich nicht mehr hören kann, werden in einer hörbaren Frequenz hörbar gemacht.
In meiner Praxis hat sich das leider nicht bewährt. Einige Konsonanten habe ich mit dieser Einstellung etwas besser verstanden. Aber Hören ist eben mehr als nur das Aufnehmen von Tönen und Geräuschen. Alles hört sich plötzlich anders unecht an – eben in einer fremden Frequenz. Bestimmte vertraute Geräusche erkenne ich nicht mehr – mir bekannte Musik kommt mir fremd vor, bis ich einige vertraute Elemente darin zu erkennen glaube.
Musik nicht mehr erkennen
Mein Hörgeräte Akustiker hatte sich wirklich viel Mühe mit mir gegeben. Er bot mir ein zusätzliches Musikprogramm als Einstellung im Hörgerät an. Doch in meinem realen Leben setzte ich mich schon lange kaum noch hin, um nur Musik zu hören. Häufig läuft Sprache und Musik gleichzeitig ab. Ganz extrem in Fernsehsendungen. Da ist Sprache vielfach mit Musik hinterlegt – warum auch immer.
Kurzum, ich bat ihn, diese Frequenzverschiebung wieder zurückzunehmen. Danke!