Cross Versorgung
Der Entschluss zur Veränderung 2014
„Frank, hilfst Du mir mal eben beim ….“?
„Ja, wo bist du denn?“
„HIER“
„Wo ist HIER“?
„In der Küche“.
„Gut, ich komme“.Dieser Dialog verdeutlicht meine Situation. Hier ein kurzer Rückblick.
Rückblick
Im Jahr 2002 erhalte ich meine ersten Hörgeräte auf beiden Ohren, links eine Version mit besonders kräftigen Verstärker. Sechs Jahre später entscheide ich mich für ein neues Gerät auf dem rechten Ohr, links kann mir ein Hörgerät nicht mehr helfen. Weitere vier Jahre später überzeugt mich eine Cross Lösung. Am rechten Ohr bekomme ich ein neues Hörgerät und am linken Ohr ein Gerät das genau so aussieht, aber lediglich die Geräusche und die Sprache, die mich von links erreicht, aufnimmt und per Funk an das neue Hörgerät rechts schickt. Viele Termine beim Hörgeräte Akustiker sind erforderlich, um die Anpassung für mich angemessen hinzubekommen.
Mein Gehirn muss sich erst an diese seltsame Situation gewöhnen – Signale die von links kommen, werden für das „Hörohr“ rechts verstärkt. Die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, kann ich seit einigen Jahren schon nicht mehr erkennen. Das ändert sich auch nicht durch diese Cross Geräte. Der Dialog oben erklärt das deutlich. Immerhin, mein Gehirn stellt sich auf diese Situation ein. Wenn die Batterie am linken Gerät, dem tauben Ohr ausfällt, merke ich das inzwischen sehr deutlich. Es fühlt sich fast so an, wie wenn ein Ohr ausfällt. „Was kann ein normal Hörender mit dieser Information anfangen“? frage ich mich gerade.
Cross Versorgung
Eine Cross Versorgung ist eine tolle Sache, so lange eines der Ohren noch einigermaßen gut funktioniert. Leider hat sich aber das Hörvermögen meines rechten Ohrs so verschlechtert, dass ich verschiedene Frequenzen nicht mehr wahrnehmen kann. Das wirkt sich besonderes auf das Sprachverstehen aus. Wenn ich die Konsonanten nicht mehr auseinanderhalten kann, ist es vorbei mit dem Verstehen. Da hilft auch meine Cross Ausstattung nichts mehr. Was nutzt es, wenn das Gerät auf meinem linken Ohr alles Aufgenommene exakt an mein Gerät rechts funkt, das Hörgerät rechts auch alles exakt aufnimmt, aber mein Ohr selbst nicht mehr alle Frequenzen wahrnehmen kann, die mir das Hörgerät mitteilen will?
Da hilft kein Einstellen am Hörgerät mehr, auch der Versuch einer erneuten Frequenzverschiebung sorgt nur für Verwirrung. Ich danke hier sehr meinem Hörgeräte Akustiker, Herrn Schwarz und seinen Mitarbeitern für ihre vielen Mühen mit immer wieder neuen Anpassungen.
Entscheidung für Cochlea Implantat
Doch nun will ich eine grundsätzliche Veränderung, vor der ich mich lange gedrückt habe. Ich hatte bisher Angst vor einer Operation am Kopf. Doch bevor ich vertrottele, verblöde und immer mehr isoliert lebe, treffe ich in Absprache mit meinem Hals-Nasen-Ohren Arzt die Entscheidung. Ich will ein Cochlea Implantat auf meiner linken Seite.
Archiv für den Monat: April 2016
Einmal schwerhörig – immer schwerhörig
Einmal schwerhörig – immer schwerhörig
Vor gut neun Monaten wurde ich am linken Ohr implantiert, vor acht Monaten wurde mein CI Sound Prozessor zum ersten Mal angepasst und seit ca. fünf Monaten höre ich ganz gut mit diesem Implantat.
Schwerhörig bleibt schwerhörig
Doch schwerhörig bleibt schwerhörig – zumindest für meine Umwelt. Viele freundliche Menschen, nicht alle, haben sich früher Mühe gegeben, deutlich zu sprechen. Das ist jetzt nicht mehr so, zumindest nicht durchgängig.
Normalerweise fragen die meisten Menschen noch mal nach, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Ich achte inzwischen sehr genau darauf und zähle manchmal mit, wie oft gut Hörende nachfragen, was schlecht Sprechende gesagt haben. Dann erhalten die Fragenden eine Antwort, wenn sie Glück haben auch etwas deutlicher gesprochen.
Schlechtsprecher, Nuschler und Sprechignoranten
Doch ganz anders bei mir. Wenn ich nachfrage, weil ich etwas nicht verstanden habe, bin immer ich „schuld“. Schließlich bin ich als schwerhörig bekannt und der Sound Prozessor für mein Cochlea Implantat ist groß und deutlich auf meinem Ohr erkennbar. Da kann einer noch so nuscheln und unter sich sprechen, es liegt an mir, am bekanntermaßen Schwerhörigen, dass ich diesen Sprechignoranten nicht verstehe.
Meist belustigt mich das. Ja, ich kann tatsächlich darüber lachen. Beim Lachen geht es mir selbst einfach besser. Manchmal deprimiert es mich aber auch – nicht sehr lange aber eben doch.
Ich weiß, es geht fast allen Menschen mit Hörproblemen so. Diese Situation wurde auch schon oft genug beschrieben, aber eben noch nicht von mir. Und mir tut es gut, wenn ich das auch mal niederschreibe.
Einmal Dieb, immer Dieb
Es gibt das Sprichwort, einmal Dieb, immer Dieb oder einmal Lügner, immer Lügner. Das scheint mir genauso falsch zu sein wie, einmal schwerhörig, immer schwerhörig.
Nach vorne schauen
Doch grundsätzlich schaue ich lieber noch vorne. Was zurück liegt ist nicht veränderbar.
Nüchtern betrachtet, höre ich viele Geräusche wieder, die ich so nicht mehr kannte. Das ist wunderbar – manchmal auch (wieder)gewöhnungsbedürftig. Sprache verstehe ich nach meinem Ermessen sehr gut. Allerdings bleiben da immer Einschränkungen – das technische Gerät kann nicht so viel, wie ein natürliches Gehör. Zuvor war ich links taub. Daran gemessen beträgt die Verbesserung durch das Cochlea Implantat für mich hundert Prozent.
Konzertbesuch
Bei einem Konzertbesuch kürzlich, glaubte ich, einzelne Stimmen des Chors herauszuhören und auch einzelne Instrumente. Wenn ich das dann meinen Mitmenschen erzähle, ernte ich aber nur ungläubige Gesichtsausdrücke und vielleicht auch ein gedachtes „jetzt spinnt er aber wirklich“.